„E-Musik“ im 20. Jahrhundert

John Cage – Schulbuchseite

Wie soll man so etwas notieren?

In der Musik des 20. Jahrhunderts gab es zwei Entwicklungen, für die unsere überlieferte Notenschrift nicht mehr geeignet erscheint.

Die erste dieser Neuerungen war die Musik mit Geräuschen.
In einem früher unvorstellbaren Ausmaß wurden Geräusche einbezogen. Dazu gehörte:

a) die wesentlich größere Rolle der Schlaginstrumente und deren Vermehrung,
b) das Geräuschmachen durch ungewöhnliche Spielweisen der übrigen Instrumente (Schlagen, Kratzen, Reiben, Spielen auf „präparierten“ Instrumenten),
c) die Verwendung von Geräuschen aus der Umwelt (Natur, Technik), indem diese aufgenommen und entweder unverändert oder verfremdet eingefügt wurden,
d) elektronisch erzeugte Geräusche.

Der amerikanische Komponist John Cage (1912 – 1992) hat – als einer der ideenreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts – es sich zur besonderen Aufgabe gemacht, mit immer neuen überraschenden Versuchen die Zuhörer zu einem bewussten Hören der sie umgebenden Geräusche als einer Musik (!) zu führen. Er ging so weit, eine „Komposition“ anzubieten, in der nichts anderes geschieht, als dass der Pianist zum Flügel geht, Platz nimmt, als wolle er spielen, und nach einer Weile – dreimal in Abständen – die Arme ausstreckt zum Zeichen, dass nun ein neuer „Satz“ beginnt. Das Ganze dauert vier Minuten und dreiunddreißig Sekunden, und das ist auch der Titel: „4’33“. Während dieser Zeit sollen die Anwesenden horchen auf die Geräusche von draußen und aus dem Raum, in dem sie zusammen sind.

John Cage im Jahr 1972

Macht einmal selbst auf der Straße dieses Experiment: Hört bewusst auf die vielfältigen Geräusche und sucht sie als Musik zu erleben. Das erfordert eine innere Umschaltung. Sprecht danach über eure Erfahrungen dabei.

Cage erzeugte auch Geräusche, indem er auf ungewohnte Art mit Instrumenten umging. Als für eine Tanzdarbietung die gewünschten Perkussionsinstrumente in den Kulissen keinen Platz fanden, entdeckte er nach einigen unbefriedigenden Versuchen, wie ein präpariertes Klavier zum Ein-Mann-Schlagzeugensemble werden kann. An bestimmten Stellen zwischen den Saiten befestigte er Materialien wie Holz, Schrauben, Gummi, Korken – und zwar immer wieder anders, je nach der beabsichtigten Wirkung. Wie das dann klang, mögen zwei kurze Ausschnitte aus Stücken von 1943 und 1944 zeigen.

Von John Cage präpariertes Klavier
Von John Cage präpariertes Klavier

Falls ihr einen Flügel zur Verfügung habt, könnt ihr Möglichkeiten zur Verfremdung des Klanges mit Papier, Holz oder anderen Materialien erproben. (Vorsicht vor Beschädigungen!). Stellt auch fest, wie sich der neue Klang mit dem anderer Instrumente verbindet.

Hörbeispiel C 54

Dass Geräusche mit der herkömmlichen Notation nicht hinreichend bezeichnet werden können, liegt auf der Hand. Sie sind ja nicht bestimmten Tonhöhen zuzuordnen. Aber es wird wohl nie eine brauchbare Notenschrift geben, die auch Geräusche eindeutig festlegt – außer in der elektronischen Musik.